16. Mai 2024
Stellungnahme zum Postkarten-Motiv Jones vs. Gascoigne der Stiftung Fußball und Kultur
Von Fußball und Kultur oder auch von Verharmlosung sexualisierter Gewalt auf dem Fußballplatz
Ein kurioser Griff in den Schritt- #EUROmeetsculture?
Vor gut einem halben Jahr startete die Stiftung Fußball und Kultur ihre Kampagne „Vom Fußball berührt“ zur nachhaltigsten Europameisterschaft aller Zeiten, die dieses Jahr in Deutschland stattfinden soll. Mit dabei der „Eye-Catcher“, auf dem Vinnie Jones dem Spieler Paul Gascoigne brutal in den Schritt greift. Vinnie Jones stand mehrmals vor Gericht wegen übergriffigem und gewalttätigem Verhalten (vgl. BBC News, BBC News). Auf LinkedIn kommentierte ich: „Ich finde eure Motivauswahl ziemlich unangebracht. Für mich verharmlost und verherrlicht das Bild total übergriffiges Verhalten, das für mich überhaupt nichts mit Fußball zu tun hat.“ Die Antwort der Stiftung: „Wir haben uns bewusst für eine kuriose Szene entschieden, da diese Betrachtenden direkt ins Auge gehen und so Aufmerksamkeit erzeugen. Diese Marketingkampagne ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen (…)“. Beim Lesen der Antwort fängt mein Auge an zu zucken. Auch meine Kolleg*innen aus dem Netzwerk „Sport handelt Fair“ sind von der Motivauswahl irritiert.
Post aus Frankfurt, ab jetzt heißt es „Augen auf“ in den Bars
Im März 2024 erreicht uns und alle anderen Projektträger, die von der Stiftung gefördert werden, Post von der Stiftung. Mit im Paket die Postkarten. Nun also auch als Print und dazu gedacht, deutschlandweit in Bars und Kneipen ausgelegt zu werden, um … ja um was genau? Aufmerksamkeit zu erzeugen für harte Männlichkeit auf dem Fußballplatz? Oder um toxische Männlichkeit, gewaltvolles Verhalten und Homophobie zu bagatellisieren? Was seht ihr auf dem Bild?
Wir geben unseren Bedenken zur Motivauswahl in einem Schreiben an den Verantwortlichen der Stiftung Fußball und Kultur erneut Ausdruck: „Hätte ich gewusst, dass das Foto als Postkarte tausendfach gedruckt und verteilt werden soll, hätte ich mich nochmal vehementer gegen die Verharmlosung und Verherrlichung sexueller Gewalt auf dem Bild ausgesprochen. In kaum einem anderen Kontext wäre es in Ordnung, dass ein Mann einem anderen so in den Schritt greift, aber wenn das auf dem Fußballfeld geschieht ist das eine „kuriose Szene“? (…). Ich würde mich freuen, wenn Sie das Motiv aus dem Verkehr ziehen.“ Darauf folgt ein Anruf des Geschäftsführers der Stiftung. Er bedankt sich für die berechtigte Kritik und schlägt vor, unsere Bedenken vom Aufsichtsrat, der das Motiv schließlich mit ausgewählt hatte, diskutieren zu lassen. Ich begrüße seinen Vorschlag.
Beide Augen zugedrückt? Der Aufsichtsrat der Stiftung entscheidet (noch einmal): der Übergriff ist ein „Eye-Catcher“ und als Teil einer Kunstkampagne vertretbar
Am nächsten Tag diskutiert der hochkarätig besetzte Rat (darunter Phillip Lahm und Claudia Roth, die an dem Tag allerdings nicht zugegen war, die Motivauswahl jedoch mitgetragen hatte) also meine Mail. Der Rat bewertet das Motiv im Rahmen der Kunstkampagne als vertretbar. An unserer Kritik sehe man, dass das Motiv Diskussionen befördere. Die Postkarte wird nun also tausendfach deutschlandweit verteilt. Wir bedauern diese Entscheidung. Wir glauben nicht, dass Motive wie diese bei der Mehrheit der Menschen eine kritische Debatte über gewaltvolles Verhalten im Fußball anregt. Mit dieser Kampagne leistet die Stiftung keinen Beitrag für einen gewalt- und diskriminierungsfreien Fußball, sondern bagatellisiert und reproduziert damit problematisches Verhalten. Falls Ihr dies auch so seht und Euch an der Debatte beteiligen wollt, schreibt der Stiftung gerne, was ihr von der Bildauswahl haltet.
Berlin, 15.05.2024
Leonie Bröcheler
leonie.broecheler@weed-online.org
Referentin für transformative Bildung
WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung